Überlegungen zu seinem juristischen und moralischen Status
– Dr. Friederike Hoffmann-Klein –
Zusammenfassung des Artikels (Aemaet Bd. 7, Nr. 1 (2018) 2-54)
Was ist der menschliche Embryo? „Frühe Form menschlichen Lebens“ – oder Person? Von der Antwort auf diese Frage, die ihren Ausgangspunkt in der philosophischen Diskussion nimmt, hängt auch die rechtliche Beurteilung seiner Schutzwürdigkeit ab. Der vorliegende Beitrag versucht eine Antwort auf die Frage nach Wesen und Status des Embryos aus philosophischer und juristischer Perspektive zu geben und dabei den Schnittbereich zwischen beiden Disziplinen näher zu beleuchten.
Wenn auch die Antworten, die hierauf im Laufe der Geistesgeschichte gefunden wurden, unterschiedlich ausfallen, so lässt sich gleichwohl festhalten, dass ein ganzheitliches Verständnis der vorgeburtlichen Phase menschlichen Lebens früheren Epochen leichter fiel als unserer heutigen, von einer stark materiell geprägten Weltanschauung beeinflussten Auffassung. Dem Verständnis von Person als einer geistigleiblichen Einheit, als „geistigem Substanzsein im Leib“ steht eine Sichtweise gegenüber, die den Menschen rein biologisch begreift. Dies bleibt nicht ohne Einfluss auf die Bestimmung seiner Menschenwürde und seines Lebensrechts. Während eine materielle Position den Faktor des noch nicht erreichten Entwicklungsstadiums für entscheidender hält als den Eintritt in die Existenz und deshalb nicht zu erkennen vermag, dass der Mensch auch in den ersten Phasen seines (vorgeburtlichen) Lebens mehr ist als biologische Materie, ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung, die Relativität der Zeit im Zusammenhang mit der vorliegenden Frage wahrzunehmen. Sie gelangt so zu einer realistischen Beurteilung.
Welches Maß an rechtlichem Schutz steht dem Embryo zu? Die Anerkennung des Embryos als eigenständiges Rechtssubjekt ist bereits dem Römischen Recht bekannt. In der juristischen Kommentarliteratur hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte seit Erlass des Grundgesetzes ein Paradigmenwechsel vollzogen, der eine Abkehr von bisherigem Verständnis darstellt. Es mehren sich die Stimmen, die Zweifel am Personsein des Embryos äußern und ihn nur noch als „frühe Form“ menschlichen Lebens begreifen. In den Fokus der Betrachtung rücken an die Stelle des Menschen seine Eigenschaften, die darüber hinaus an ein bestimmtes Lebensalter anknüpfen. Die Zuerkennung von Menschenwürde wird auf diese Weise von biologischen Funktionen abhängig gemacht.
Zweifel am Würdestatus von Embryonen erweisen sich jedoch weniger als rationale Einwände denn als interessengeleitete Argumentation. Sich die Unsichtbarkeit zunutze machend, werden Zweifel instrumentalisiert, um die reproduktive Freiheit nicht in Frage zu stellen. Diesem Ziel dient auf juristischer Ebene das Konzept einer prozesshaften Betrachtung des Würdeschutzes. Menschenwürde erweist sich in dieser Betrachtung als eine Funktion des vorgeburtlichen Entwicklungsstadiums. Eine entwicklungsabhängige Menschenwürde stellt allerdings in einem Gegensatz zu dem Konzept der Menschenrechte. Getragen von der philosophischen Erkenntnis, dass die irreführende Bezeichnung als „frühe Formen menschlichen Lebens“ den Sachverhalt nicht zutreffend beschreibt, lässt sich auch für die juristische Sphäre davon ausgehen, dass allein eine Betrachtung, die auch den Embryo und Fötus als Person in den Blick nimmt, dem Gehalt der grundrechtlichen Normen entspricht. Weder mit einer geringeren Schutzwürdigkeit noch dem Euphemismus der größeren Differenzierungsmöglichkeit, dem Vorteil also, seiner angeblich zunehmenden Schutzbedürftigkeit besser Rechnung tragen zu können, lässt sich eine Ausgrenzung des Embryos aus dem Schutzbereich grundrechtlicher Gewährleistungen begründen.
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