I. Einführendes und Methodisches – Kap. 1. Einleitung: Zielsetzung, Schwerpunkte, Thesen und Aufbau der Arbeit (Zusatzangebot zur Zeitschrift)

„In einem gewissen Verstande lassen sich alle zentralen Probleme der Philosophie auf die Frage zurückführen, was der Mensch sei und welche metaphysische Stelle und Lage er innerhalb des Ganzen des Seins, der Welt und Gott einnehme“ (Scheler, 1955, S. 173).

1.1. Zielsetzung und thematische Untersuchungsschwerpunkte der Arbeit

Die Frage nach dem Sein des Menschen bzw. der menschlichen Person kann als eine Ur- und Grundfrage der gesamten Philosophie begriffen werden.1Insofern ist eine präzise Fokussierung der Untersuchung und eine thematische Schwerpunktsetzung eine conditio sine qua non dieser Arbeit. Außerdem ist es keine Intention dieser Arbeit,

das Mysterium des menschlichen Personseins philosophisch zu entschleiern. Vielmehr will die Arbeit auf dieses Geheimnis hindeuten und, sofern es dem Licht der natürlichen Vernunft zugänglich ist, es reflektierend beleuchten.

Gemäß der Grundfragestellung ist diese Arbeit eine systematische und keine doxographische oder philosophie-historische. Somit bietet die Arbeit auch keine bzw. fast keine philosophie-historischen Erörterungen des Personbegriffs2 bzw. der verschiedenen philosophischen Auffassungen über das Sein der menschlichen Person.3

Die Arbeit ist in vier Teile gegliedert. Der erste Teil (I.) widmet sich der Einführung in inhaltlicher und methodischer Hinsicht: Kap. 1. (dieses Teilkapitel) bietet dem Leser einen Überblick über Zielsetzung, den Sinn und die verschiedenen Untersuchungsschwerpunkte der Arbeit. Dies geschieht, indem die innere Logik bzw. der rote Faden der Arbeit anhand der verschiedenen Teile und Kap. skizziert wird. Kap. 1.2. präsentiert einige Grundthesen, die in der Arbeit vertreten und verteidigt werden. Kap. 1.3. rundet den thematischen Überblick zur Arbeit und ihrer Schwerpunkte, sowie ihrer inneren Logik durch eine „graphische Synopse“ all dieser Element ab (Abb. 1.2.). In Kap. 2. wird die in dieser Arbeit verwendete philosophische Methode vorgestellt und begründet.

Wenn untersucht werden soll, was menschliches Personsein ist und auszeichnet, muss im Vorfeld erfasst werden, welche verschiedenen Personbegriffe es überhaupt in der Literatur gibt und ob es einen adäquaten Personbegriff gibt (II.). Dieses Vorhaben kann aber nur gelingen, wenn paralogistische Äquivokationen vermieden werden, also geklärt wird, was überhaupt mit dem Wort „Person“ gemeint werden kann (3.1.). Darüber hinaus können die Personbegriffe nur dann in adäquater Weise thematisiert werden, wenn untersucht wird, was ein Begriff überhaupt ist (3.2.). Ferner ist zu klären, ob der Personbegriff mit dem Menschenbegriff bedeutungsidentisch ist oder nicht (3.3.). Da es möglicherweise so viele verschiedene Personenbegriffe wie Menschen geben könnte, ist es eine unerlässliche Aufgabe der Arbeit, nach basalen Personbegriffen zu fragen (3.4.) und verschiedene Personbegriffe aus der Literatur zu vergleichen und zu besprechen.

Im dritten Teil (III.) der Arbeit wird die Hauptfrage (Was ist menschliches Personsein?) thematisiert und nach möglichen Antworten auf diese schwierige Frage gesucht. Der Untersuchungsschwerpukt liegt hierbei in der Frage, ob menschliches Personsein eine geistige Substanz im Leib in Relation ist (4.), und, falls dies zutrifft, was das Substanz-in-Relation-Sein der menschlichen Person ausmacht. Um dies zu klären, ist zu erörtern, was ‘Form’ und ‘Materie’ (4.3.) und ‘Akt’ und ‘Potenz’ (4.4.) ist und bedeutet. Im anschließenden Teilkapitel (4.5.) wird der Seinsmodus bzw. die Existenzform menschlichen Personseins bestimmt. Dann wird, um bestimmen zu können, wann menschliches Personsein konstituiert wird, zwischen Personsein und Personverhalten unterschieden (4.6.4.), als auch herausgearbeitet, dass vernünftiges Leben menschliches Personsein konstituiert (4.6.5). Wenn „das Sein von Personen [. . . ] das Haben einer Natur“4 ist, wie Spaemann im Rückgriff auf Boëthius erklärt, ist es ferner unabdingbar, einige Grundbedeutungen von ‘Natur’ zu differenzieren (4.6.6.). Das letzte Teilkapitel des dritten Teils (4.7.) bespricht die eine Grundwirklichkeitsform menschlichen Personseins, also das geistige Substanzsein im Leib, oder das „hypokeimenale pneumatische Sein“, wie es mit Conrad-Martius bezeichnet werden kann (4.7.3.).

Die eine Grundwirklichkeitsform der menschlichen Person besitzt drei unterschiedliche Dimensionen, die sich auch in zeitlicher Hinsicht im Leben der einen menschlichen Person unterscheiden können. Die erste Dimension der Grundwirklichkeitsform ist das noch nicht bewusste bzw. erwachte menschliche Personsein (4.7.3.). Die zweite und dritte Dimension der Grundwirklichkeitsform ist das rational-affektiv-bewusste und voluntativ-freie Sein (4.7.4.) und das qualitativ vervollkommnete / abgewertete Sein (4.7.5.) der menschlichen Person.

Der vierte Teil (IV.) der Untersuchung beinhaltet als Ausblick das Phänomen der Personvergessenheit und versucht diesen Ausdruck Spaemanns in Anwendung der Erkenntnis dieser Arbeit mit Leben zu füllen. Überdies beinhaltet der vierte Teil (IV.) der Arbeit das Resümee, in dem die Hauptuntersuchungsergebnisse zur Frage „Was ist menschliches Personsein“ dem Leser präsentiert werden.

1.2. Thesen dieser Arbeit

Abbildung 1.1.: Grundthesen zum menschlichen Personsein: Eine Wirklichkeitsform menschlichen Personseins mit drei Dimensionen – Diese Darstellung basiert auf dem – hier thesenhaft – als adäquat vertretenen substanzontologisch-relationalen Personbegriff – Die Bildidee ist an eine Abb. Erks angelehnt (Vgl. 2014, Abb. 2; S. 125)

Die Hauptthesen dieser Arbeit, durch deren Begründung auch ein Antwortversuch auf die Grundfrage ‘Was ist menschliches Personsein?’ gegeben werden soll, werden in Abb. 1.1. grafisch dargestellt. Sie lassen sich, wie folgt, zusammenfassen: Der adäquate Personbegriff ist der substanzontologisch-relationale (auf diesem basiert auch die Abb. 1.1.). Dieser wird der menschlichen Person in ihrem An-sich-Sein am besten gerecht. Es gibt eine urphänomenale Grundwirklichkeitsform menschlichen Personseins, die auf nichts anderes, als sie selbst es ist, reduziert werden kann, ohne in ihrem eigentlichen Sosein uminterpretiert zu werden. Wenn das notwendige Wesen der Person geistig in den Blick genommen wird, kann erkannt werden, dass die Person ein notwendiges Sosein (notwendiges Wesen) besitzt, das in seinem So-sein-Müssen-und-nicht-anders-sein-Können durch rationale Wesen erkannt werden kann. So kann es z. B. keine Person geben, a) die keine geistige Substanz ist; b) die nicht ontologisch eine(n) unverlierbare(n) objektive(n) Würde / Wert besitzt; c) die nicht ontologisch Rationalität, die nicht ontologisch einen freien Willen besitzt; d) die nicht ein ontologisch fundiertes Selbst oder Ich hat.5 Die Grundwirklichkeitsform des Menschen ist das geistige Substanzsein im Leib. Der Mensch ist somit von Anfang an, d. h. sobald und solange er lebt (i. d. R. mit Abschluss der Verschmelzung der menschlichen Gameten6 bis zum Eintritt des sicheren Todes7), menschliche Person und Besitzer einer unverlierbaren ontologischen Würde. Zwar sind nicht alle Personen Menschen, wohl aber alle Menschen Personen, da es das zentrale Wesen des Menschen ausmacht, Person zu sein8 (Conrad-Martius). Die eine Grundwirklichkeitsform bzw. das geistige Substanzsein im Leib des Menschen hat drei unterschiedliche Dimensionen: 1. Das noch nicht bewusste / erwachte menschliche Personsein; 2. Das rational-affektiv-bewusste voluntative Personsein (Personverhalten wird aktuell ausgeübt oder als aktualisierbare Fähigkeit besessen); 3. Qualitativ-axiologische Vervollkommnung / Abwertung der menschlichen Person / Persönlichkeit (bsd. menschliches Personsein als „ens morale“). Überdies besitzt die menschliche Person Seinsautonomie, Seinsabgeleitetheit, Seinsselbständigkeit und Seinsabhängigkeit.9

Die eine Grundwirklichkeitsform der menschlichen Person und jede einzelne ihrer drei unterschiedlichen Dimensionen kann theoretisch und / oder praktisch (faktisch) in Vergessenheit geraten. Dieses Phänomen kann mit Robert Spaemann als „Personvergessenheit“ bezeichnet werden. Jegliche Spielart der Personvergessenheit, z. B. personvergessene Handlungen etc. stellt einen sittlich illegitimen Verstoß gegen den adäquaten Umgang mit menschlichen Personen dar. D. h., jegliche Spielart der Personvergessenheit impliziert einen Verstoß gegen die sog. Personalistische Norm, die besagt: „Die menschliche Person ist um ihrer selbst willen zu bejahen / zu lieben.“ Die Personalistische Norm stellt nicht einfach ein bloßes Gesetz oder eine pure Pflicht dar, sondern ist die einzig angemessene Wertantwort auf das Sein der menschlichen Person.

1.3. Der Aufbau der Arbeit

Die Argumentationslogik und der formale Aufbau der Arbeit sind in Abb. 1.2. visualisiert.

Abbildung 1.2.: Aufbau der Arbeit – Die Bildidee ist an eine Abb. Erks angelehnt (Vgl. 2015, Abb. 1; S. 6)

Endnoten

1Auf diesen Sachverhalt macht das Scheler-Zitat (S. 1) aufmerksam.

2Es sei hier deshalb auf einige philosophie-historische Erörterungen des Personbegriffs bzw. auf einen Überblick verschiedener Personbegriffe aus der Literatur verwiesen (Baumgartner u. a., 2009; Brasser, 1999; Hilberath, 1986); (Sturma, 2008, Kap. 1),(Vgl. Erk, 2015, S. 343). Ein guter exemplarischer Überblick wichtiger Persondefinitionen (insgesamt 77) von

der Antike bis in die Neuzeit, anhand von Originalzitaten, findet sich bei Christian Erk (Erk, 2015, S. 343-368).

3Trotzdem steht die Arbeit natürlich in einer bestimmten Denktradition (vgl. I.2. & III.4.1.) und lehnt sich an bestimmte Denker wie z. B. Robert Spaemann (Vgl. bsd. Spaemann, 1998) u. a. an, dies machen insbesondere die verschiedenen, die Kapitel bzw. Teilkapitel einleitenden Zitate, die den Haupttext ergänzen und z. T. inspiriert haben, deutlich.

4(Spaemann, 1998, S. 145).

5Vgl. hierzu Kap. 4.7.

6Vgl. Kap. 3.5.2.

7Der sog. Hirntod des Menschen ist hierbei, wie in der Arbeit skizziert wird, nicht mit dem sicheren Tod des Menschen gleichzusetzen (Vgl. z. B. Erk, 2014; Jonas, 1987a; Shewmon, 2012; Spaemann, 2006).

8(Conrad-Martius, 1957, S. 44).

9Vgl. Kap. 4.5.

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